Clevere Flugrouten reduzieren Emissionen Höhenwinde entscheiden mit darüber, wie schnell ein Flugzeug den Atlantik überquert – und wie viel Treibstoff es verbraucht. Das Wissen darüber kann dem Klima nützen, zeigt eine aktuelle Studie. Der Spiegel | 26 January 2021 Angetrieben von einem Orkan hat eine Boeing im vergangenen Jahr den Atlantik in Rekordgeschwindigkeit überquert. In weniger als fünf Stunden flogen die Passagiere von New York nach London. Normalerweise dauert der Flug anderthalb Stunden länger. Nun tritt ein Orkan dieser Stärke nicht jeden Tag auf. Allerdings lassen sich auch andere Winde nutzen, um Treibstoff und damit auch Emissionen zu sparen, rechnet nun ein britisches Forschungsteam vor. Im Optimalfall würden dadurch bis zu 16,4 Prozent weniger CO₂ ausgestoßen. Für die Analyse hatten Forschende um Cathie Wells von der University of Reading in Großbritannien 35.000 Flüge zwischen London und New York analysiert, die von Dezember 2019 bis Februar 2020 gestartet waren. Also noch bevor der weltweite Flugverkehr wegen der Coronakrise drastisch eingebrochen war. 6,7 Millionen Kilogramm CO₂ gespart Wie viel Treibstoff die Flugzeuge verbrauchten, hing auch davon ab, wie gut sie den sogenannten Jetstream ausnutzten – ein Starkwindband in 9 bis 12 Kilometer Höhe, der üblichen Reisehöhe von Transatlantikflügen. Diese Winde werden schon heute bei der Planung der Flugroute berücksichtigt, allerdings sind offenbar noch weitere Ersparnisse möglich. Für jeden Flug errechneten die Forschenden eine Route, die für die auftretenden Winde optimiert war. Für Flüge von New York nach London hieß das, den in östlicher Richtung fließenden Jetstream bestmöglich als Rückenwind auszunutzen. Umgekehrt sollte auf Flügen von London nach New York der direkte Gegenwind des Jetstreams möglichst vermieden werden. Für Flüge von New York nach London errechneten die Wissenschaftler eine durchschnittliche CO₂-Ersparnis von 2,5 Prozent pro Flug. Im Vergleich zur jeweils ungünstigsten der genutzten Flugrouten betrug die Ersparnis sogar 16,4 Prozent. Bei Flügen von London nach New York kamen die Forscher auf eine durchschnittliche CO₂-Einsparung von 1,7 Prozent. Die Kalkulationen basieren auf der Annahme einer konstanten Fluggeschwindigkeit von 864 Kilometern pro Stunde. Pro Flug hätte Treibstoff für etwa 200 Kilometer eingespart werden können. Insgesamt hätten demnach der Ausstoß von 6,7 Millionen Kilogramm CO₂ vermieden werden können, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt »Environmental Research Letters«. Hochgerechnet auf die Gesamtemissionen klingt das nicht viel. Allerdings ist das die Ersparnis in nur drei Monaten. Ein neues Netzwerk von Satelliten mit niedriger Erdumlaufbahn, das derzeit getestet wird, könnte die Berechnung der optimalen Flugbahn in Zukunft zudem weiter erleichtern, berichten die Wissenschaftler. Weil damit die Ortsbestimmung der einzelnen Flugzeuge über dem Atlantik viel genauer möglich sei als bisher. Die britischen Wissenschaftler sind längst nicht die einzigen, die den weltweiten Flugverkehr klimafreundlicher machen wollen. Optimierte Flugrouten könnten auch das Auftreten klimaschädlicher Kondensstreifen minimieren, zeigt eine weitere Analyse. Geforscht wird auch an effizienteren Antrieben und umweltfreundlichen Alternativen zu Kerosin. Das Autorenteam der aktuellen Studie sieht ihr Verfahren als Alternative oder Ergänzung zu anderen Maßnahmen, um den CO₂-Ausstoß von Flugzeugen zu reduzieren: »Ein Upgrade auf effizientere Flugzeuge oder die Umstellung auf Biokraftstoffe oder Batterien könnte die Emissionen erheblich senken«, sagt Mitautor Paul Williams, »ist jedoch kostspielig und kann Jahrzehnte dauern.«